Joseas R. Helmes


Einblick in vergangene Werkgruppen.

Landschaften

2010 bis 2016

Bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen die Bilder fotorealistisch und zeigen die unmittelbare Verbindung zur realen Welt. Doch je näher man ihnen kommt, desto mehr offenbart sich eine ganz andere Dimension.
Das Auge des Betrachters wird auf die Probe gestellt, das vermeintlich Realistische geht in eine Welt abstrakter Malerei über. Die scheinbar detaillierten Landschaften lösen sich auf in abstrakte Formen, Farben und Texturen.


Die beabsichtigte Wirkung stellt sich dann ein, wenn der Betrachter sich vor dem originalen Werk befindet, sich bewegt und die Malerei in immer fokussierteren Ausschnitten sieht, die er zurücktretend in seine Wahrnehmung und Empfindung der gesamten Szenerie integriert.


Fasnacht

2017 bis 2018

Schon seit jungen Jahren fasziniert von Ritualen, Feuerschein, Ungestüm und Masken der alemannischen Fasnacht entsteht dieser Bilderzyklus nach einem Besuch des Narrentages in Rottweil.


Knalliges Rot, mittelalterliche Kostüme und heidnische Bräuche. Schwarze Teufelsmasken, Fackeln, der verzerrte Klang der Stimmen und Atemdampf in klirrender Kälte hinter den Larven der Narren. In all dem deutet sich ein religiöses Moment an, das auch in den zur selben Zeit entstandenen Vanitas-Stillleben gesehen wird.


Memento mori

2016 bis 2018

Malerei an der Grenze zur Trompe-l’œil. Die Formate zwar deutlich kleiner als die der Landschaftsbilder, sind die dargestellten Gegenstände auf dem Gemälde zunächst jedoch deutlich größer als in der Realität. Die Irritation der Sehgewohnheit findet auf einer noch einmal anderen Ebene statt. Körperliche Annäherung an das Kunstobjekt führt nun umgekehrt zur analytischen Sichtweise, der Frage: Wie wurde das hier gemacht? Der Betrachter wird von seiner ursprünglichen Wahrnehmung entfremdet und sucht sie im Zurücktreten zurückzuerlangen.


Das Sujet des Stilllebens drängt fast zwangsläufig zur Auseinandersetzung mit dem Totenschädel. Mit dieser werden die Bildformate immer kleiner. Wie klein kann etwas sein, in dem einmal eine ganze Welt gesteckt hat?


Hin zum Menschen

2006 bis 2010

Ein, bei unvoreingenommener Betrachtung übermäßiger Anteil des visuellen Cortex im menschlichen Gehirn ist der Gesichtserkennung gewidmet. Der andere Mensch ist dem Menschen das Wesentlichste. Durch die Jahre, in denen er das Heranwachsen seiner Kinder erlebt, sind der Mensch, Kinder, Jugendliche, ein bestimmendes Thema der Bilder des Künstlers. Die Porträts zeigen die Gesichter aus nächster Nähe und in extremer Vergrößerung

Nun ist es noch mehr das zugrunde liegende Foto mit partiellen Unschärfen, Bewegung im Verharren der Porträtierten, Texturen und Spiegelungen, was in diesen Arbeiten bis an die Grenze des Möglichen malerisch bearbeitet wird. Der festgehaltene Moment.


Schaufenster

2006 bis 2007

Die neue Qualität der Fotos in dieser Zeit, nun digital aufgenommene, wirkt in der Farbigkeit der Motive und stellt neue malerische Herausforderungen. Individuelle Wahrnehmung der Situation und Fotografie scheinen noch entkoppelter voneinander als zuvor. So genau kann eigentlich keiner hinschauen. Möglicherweise sind die Protagonistinnen, denen die Titel die Hauptrolle zuzusprechen scheinen, in der realen Welt selber schon Abbilder, künstlich erzeugte Ideale. Göttinnen. Konzepte.

Die Malerei ordnet sich hier für eine Weile den Motiven unter, geht in vorher nicht möglich erschienener Akribie ins Detail, will es nun endgültig wissen. Wie lange dauert es einen Moment zu fassen?



Das neue Berlin

2003 bis 2005

In Brandenburg lebend, bleibt Berlin wesentlicher und regelmäßiger Bezugsort für die Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Dem visuellen Einwirken der Stadt und ihrer Veränderung auf die gelebte Realität ist die Normalität und mit ihr die Unterschwelligkeit abhanden gekommen. Seltsame Perspektiven eröffnen sich. Etwas Neues liegt in der Luft. Ob es gefällt ist nicht eindeutig verifizierbar.

Das Foto als Grundlage malerischer Auseinandersetzung hat sich in dieser Schaffensphase etabliert. Gleichzeitig findet die Malerei seit langer Zeit zum ersten Mal wieder ausschließlich auf Leinwänden statt. Das Foto als neuer, nicht mehr materieller, dabei aber nicht weniger widerständiger Untergrund, ist neuer Ankerpunkt der Inspiration.



Das Chymische Lustgärtlein

1999 bis 2002

Diese Serie ist die erste, die Fotografie in den schöpferischen Prozess der Bildfindung integriert. Die in die Ebene des Bildgrunds gefrästen Zeichnungen interpretieren emblematische Grafiken aus dem barocken Bestseller „Das Chymische Lustgärtlein“ von Daniel Stolz von Stolzenberg. Sie stellen Rezepturen dar, auf der Suche nach dem goldenen Stein. Die zweite Ebene, der leere Raum in der Malerei, ist hier kein unabhängiger Geist mehr, sondern beruht auf einer Mixtur. Nicht weniger rätselhaft. Nicht weniger mystisch.

In der Zeit der Entstehung dieser Bilder waren Smartphones noch Utopie. In der Öffentlichkeit eine Kamera auf jemanden zu richten wurde als Grenzüberschreitung empfunden. Eine für die sowjetische Spionage entwickelte Kleinkamera mit seltsam verzerrendem Weitwinkelobjektiv, die „Lomo“, macht das Fotografieren zum ersten mal zum Arbeitsmittel. Aus der Hüfte. Ohne Kontrolle.


Orischa, Erdgeister und Herzensbilder

1997 bis 1999

Diese Malerei bedarf keiner voran gesetzten Widerstände mehr. Sie findet statt. Absichtslos und aus der Freude des Augenblicks heraus. Ist die pastose Ölfarbe getrocknet, wird eine Zeichnung hinein gefräst. Diese Verletzung, dieses materiell Entfernte wird vergoldet. Der Unraum, in seiner Wirkung durch die Goldbronze für den Betrachter nur schwer in seiner tatsächlich negativen Räumlichkeit zu fassen, füllt sich mit Geistern. Naturkräften, wie unsere Vorfahren sie interpretierten. Götter. Die Spuren der Zivilisation in vermeintlich natürlichen Realitäten.

Der Untergrund, der Träger des Bildes, hier Holzplatten aus industrieller Produktion mit einseitig starker Materialstruktur, bleibt Ankerpunkt der malerischen Auseinandersetzung. In gewisser Weise vergeistigt er aber schon hier. Wesentlich wird das, was entfernt wurde. Industrie, Kulturtechnik und ihre Werkzeuge, wie die Oberfräse, wirken in den Schaffensprozess hinein und sind in gewisser Weise unkontrollierbar.


Rindenbilder

1992 bis 1996

Eine, vielleicht die relevante Frage zur Zeit der Entstehung dieser Bilder war tatsächlich diese: Wozu noch Malerei? Weil ich malend zu Bildern finden kann, die der erlebten Realität etwas eigenes, so vorher nicht gegebenes Etwas hinzufügen können, so die Antwort. Geschenkt, dass dieses nicht nur mit der Malerei möglich ist. Sie war schon Kulturtechnik am Beginn der Individuation des menschlichen Geistes. Sie macht es mir auch heute, 1992, noch möglich das Einzige, das ich unter Kontrolle bringen kann, mich, zu manifestieren. Die Frage, immanenter Bestandteil der künstlerischen Arbeit dieser Jahre, war der eigentliche Widerstand in der Malerei. Überwunden wurde er mit der Malerei auf widerständigen Malgründen. Wozu inspiriert mich dieser Widerstand? Was könnte das bedeuten?

Grundlage sind feste, hölzerne Platten, zunächst alte Türen, Tischplatten vom Sperrmüll, später industriell gefertigte Sperrhölzer. Weitere „Widerstände“ werden auf diesen fixiert. Baumrinden. Gedrechselte Fundstücke. Das Objekt wird vollständig weiß grundiert. Die reine, skulbturale Form des Malgrundes ist Quelle der bildnerischen, eindimensionalen Schöpfung. Das Dreidimensionale, Komplexere, ist Grundlage der individuellen Idee.